. . .  "Papa glaubst du, sie lassen mich mitspielen?"

Ich wusste, dass die meisten der Jungen jemanden wie Ray nicht in ihrer Mannschaft haben wollten, aber als Vater war mir auch folgendes klar: Wenn mein Sohn mitspielen durfte, dann würde dies ihm ein Dazugehörigkeitsgefühl geben, nachdem er sich so sehr sehnte und auch die Zuversicht, trotz seiner Behinderung von anderen akzeptiert zu werden.

 

Ich ging also zu einem der Jungen auf dem Spielfeld und fragte, ohne all zuviel zu erwarten, ob Ray mitspielen könne. Der Junge schaute sich hilfesuchend um und sagte: "Wir haben schon sechs Runden verloren und das Spiel ist gerade beim achten Inning. Ich glaube schon, dass er mitspielen kann. Wir werden versuchen, ihn dann beim neunten Inning an den Schläger kommen zu lassen."

 

Ray kämpfte sich nach drüben zur Bank der Mannschaft und zog sich mit einem zum einen Teil angespannten Gesichtsausdruck aber auch mit einem glücklichen Strahlen in den Augen ein Trikot des Teams an. Er durfte mitspielen er durfte dabei sein. Ich schaute mit Tränen in den Augen und Wärme im Herzen zu.

Die Jungen sahen, wie ICH mich freute, weil mein Sohn mitspielen durfte.

 

Mitten im neunten Inning zog sich Ray den Handschuh an und spielte im rechten Feld mit. Auch wenn keine Schläge in seine Richtung gelangten, war er doch begeistert, dass er mit dabei sein durfte und strahlte vor stolz bis zu beiden Ohren, als ich ihm von der Tribüne aus zuwinkte.

Am Ende des neunten Innings holte Ray’s Mannschaft noch einen Punkt. In der jetzigen Ausgangslage war der nächste Run ein potenzieller Siegesrun und ausgerechnet Ray kam als Nächster an die Reihe.

Würden sie in diesem Moment Ray den Schläger überlassen und damit die Chance, doch noch zu gewinnen, auf’s Spiel setzen? Überraschenderweise bekam Ray den Schläger. Jeder wusste, dass ein Treffer so gut wie unmöglich war, denn Ray wusste nicht einmal, wie er den Schläger richtig halten sollte.

 

Als Ray allerdings an den Abschlagpunkt trat, merkte der Pitcher, dass die gegnerische Mannschaft in diesem Moment irgendwie nicht mehr so sehr auf den Sieg aus zu sein schien, und warf den Ball so vorsichtig, dass Ray ihn wenigstens treffen konnte.

Beim ersten Pitch schwankte Ray etwas unbeholfen zur Seite und schlug vorbei. Der Pitcher ging wieder ein paar Schritte nach vorn und warf den Ball noch mal vorsichtig in Ray’s Richtung.

 

Als der Pitch hereinkam, hechtete Ray zum Ball und schlug ihn zurück zum Pitcher.

Das Spiel wäre nun gleich zu Ende. Der Pitcher nahm den tiefen Ball auf und hätte ihn ohne Anstrengung

zum ersten Baseman werfen können und damit Ray’s Niederlage besiegelt. Ray wäre dann rausgeflogen.

Aber stattdessen, was machte er denn da? Der Pitcher warf den Ball über den Kopf des ersten Basemans und außer Reichweite der anderen Spieler.

Die Zuschauer und Ersatzspieler beider Teams bekamen längst mit was hier wirklich lief und von der Tribüne, von beiden Teams schallte es: "Ray lauf los! Lauf los Ray du kannst es - Lauf los!"

Noch nie im Leben war Ray so weit gelaufen, aber er schaffte es bis zum First Base. Mit weit aufgerissenen Augen und total verwundert hetzte er die Grundlinie entlang. Alle schrien: "Lauf weiter, Ray lauf weiter!"

Ray holte tief Atem und lief unbeholfen, aber voller Stolz in den Augen weiter, um ans Ziel zu gelangen.

Als Ray um die Ecke zur zweiten Basis bog, hatte der rechte gegnerische Feldspieler den Ball ... er war der kleinste Junge im Team, der jetzt seine erste Chance hatte, zum Held seines Teams zu werden. Er hätte den Ball dem zweiten Baseman zuwerfen können, aber auch er hatte verstanden, was der Pitcher vorhatte und so warf er den Ball absichtlich ganz hoch und weit über den Kopf des dritten Basemans. Der kleine Junge hatte ein so großes Herz, dass er auf seinen Erfolg verzichtete um Ray diese Chance einzuräumen.

Also rannte Ray weiter wie im Delirium zur dritten Basis,

Längst waren alle, alle aufgesprungen und schrien: "Ray, Ray, Ray, lauf weiter, lauf weiter"

Ray erreichte die dritte Basis, weil der gegnerische Shortstop ihm zur Hilfe gelaufen kam und ihn in die richtige Richtung der dritten Basis gedreht und gerufen hatte: "Los lauf zur dritten! Ray, lauf zur dritten!"

 

Als er die dritte Basis geschafft hatte, waren alle Spieler beider Teams und die Zuschauer aus dem Häuschen und alle auf den Beinen und feuerten Ray frenetisch an: "Ray, lauf das Ding nach Hause! Lauf nach Hause!"

Ray lief nach Hause, trat auf die Platte und wurde als Held des Tages gefeiert, der den Sieg für seine Mannschaft davongetragen hatte.

 

"An diesem Tag", so führte der Vater seine Rede fort, während ihm dicke Tränen über’s Gesicht liefen, "brachten die Spieler von beiden Mannschaften ein Stück wahrer Liebe und Menschlichkeit nicht nur in Ray’s Welt" und voller Stolz erzählter er weiter, dass er an diesem Tag zum zweiten mal weinen musste als er hörte

wie Ray seiner Mutter abends von seinem Triumph erzählte und wie die Mutter ihren kleinen Helden unter Tränen umarmte, als sie hörte was es für Ray bedeutete und wie es für ihn war als er “nach Hause lief!"

 

“Ray erlebte keinen weiteren Sommer mehr. Er starb im folgenden Winter, er hatte nie vergessen, wie es war, einmal, einmal nur ein Held zu sein. Auf dem Sterbebett sagte er, ganz klar im Blick, und mit ruhiger Stimme meine Hand haltend: “Papa sie haben mich mitspielen lassen weißt du das noch? - oh Papa ich laufe jetzt auch nach Hause und ich fürchte mich nicht ich hab ja gewonnen in meinem Leben.“

Ja; ich wusste es noch. Wie konnte ich diesen Tag je vergessen. Diesen Tag an dem mich mein behinderter Sohn so völlig glücklich gemacht hat.

 

Minutenlanges Schweigen im Zuhörerraum, doch dann, erst ganz verhalten ein paar Hände begannen zu klatschen und dann noch ein paar und noch ein paar und dann tosender Applaus

Der Vater verbeugte sich in dem Wissen, dass dieser Applaus nicht ihm sondern seinem Sohn galt.

 

 
Fussnote zur Geschichte:
Ein weiser Mann sagte einmal:

“Jede Gesellschaft sei auch danach zu beurteilen, wie sie ihre am wenigsten gesegneten Mitglieder behandelt!“